Mit Lewis & Clark hatte Ludonaute bereits im Vorjahr ein Spiel präsentieren können, das bei zahlreichen Spielern wirklich sehr gut ankam. Mit Colt Express gelingt ihnen dieses Kunststück nun erneut. Dem Wilden Westen bleiben sie dabei zeitlich treu, trotzdem ist Colt Express ein wirklich ganz anderes Spiel. Und nicht nur bei den Spielern ist Colt Express gut angekommen, auch die Spiel-des-Jahres-Jury konnte das innovative Westernspiel überzeugen und wurde zum Spiel des Jahres 2015 ausgezeichnet.
Wir schreiben das Jahr 1899, um genau zu sein den 11. Juli 1899. Der Union Pacific Express hat sich gerade in Bewegung gesetzt, als die Passagiere des Zuges die ersten Schüsse wahrnehmen. Banditen sind auf den fahrenden Zug aufgesprungen und bewegen sich über die Dächer der Waggons in Richtung Lokomotive. Dort bewacht der Marshall eine wertvolle Aktentasche. Aber auch die Reisegäste tragen größere Geldsummen und Edelsteine bei sich und sind nicht besonders erfreut über den Überfall. An dieser Stelle startet das Brettspiel Colt Express.
Jeder Spieler schlüpft in die Rolle eines Banditen und versucht, mehr Geld und Juwelen von den Reisenden zu stehlen, als die anderen Mitspieler. Dabei kommen sich die Banditen auch gerne mal gegenseitig in die Quere und zücken die Fäuste oder den Revolver. Und auch vor dem Marshall müssen sich die Banditen in Acht nehmen, da dieser sich mit geladenem Colt ebenfalls durch den Express bewegt.
Gespielt wird über mehrere Runden. In jeder Runde können die Spieler nacheinander im Uhrzeigersinn jeweils eine Aktionskarte ausspielen und auf einem gemeinsamen Ablagestapel ablegen. Ob die Aktion offen, verdeckt, doppelt nacheinander oder mit Richtungswechsel abgelegt werden kann, bestimmt wiederum die jeweilige Rundenkarte. Pro Runde wird eine neue Rundenkarte aufgedeckt. Zu den Aktionen zählen beispielsweise das Bewegen der Banditen und des Marschalls, Kämpfen, Schießen und Gegenstände aufnehmen. Beim Ablegen von KArten darf auch gepasst werden. In diesem Fall darf der Spieler weitere Aktionskarten auf die Hand nehmen und hat so wieder mehr Auswahl für seine nachfolgende Aktion.
Haben alle Spieler ihre Beutezüge festgelegt, wird der gemeinsame Ablagestapel umgedreht und eine Karte nach der anderen ausgeführt. Das bedeutet, dass die Spieler ihren gesamten Spielzug zunächst planen müssen, ohne dabei zuviel über die Absichten der Mitspieler zu wissen. Erst anschließend wird festgestellt, ob der eigentliche Beutezug tatsächlich erfolgreich war.
Nach fünf Runden endet das Spiel und die Spieler zählen ihre Beute. Wer jetzt der reichste Bandit ist, gewinnt auch Colt Express.
Spielzubehör von Colt Express
- 1 Lokomotive (3D)
- 6 unterschiedlich gestaltete Waggons (3D)
- 6 farbige Spielfiguren
- 1 gelber Lokführer
- 10 Gelände-Dekorationen
- 18 Beute-Plättchen “Geldsäcke”
- 6 Beute Plättchen “Diamanten”
- 2 Beute-Plättchen “Koffer”
- 6 Charakterkarten (1 pro Spieler)
- 60 Aktionskarten (10 pro Spieler)
- 36 Patronenkarten (6 pro Spieler)
- 13 neutrale Patronenkarten
- 14 Rundenkarten für Runden und Bahnhöfe
- 3 Bahnhofskarten
Ausführliche Spielregeln zu Colt Express
Überblick und Spielvorbereitungen
Die Lokomotive mit Waggons wird in die Mitte des Tisches gestellt. Pro Mitspieler wird jeweils ein Waggon an die Lokomotive angekoppelt. Alle Rundenkarten und Bahnhofskarten werden getrennt voneinander gemischt. Anschließend werden vier Rundenkarten und eine Bahnhofskarte gezogen, vermischt und als Nachziehstapel neben den Zug gelegt. Die 13 neutralen Patronenkarten kommen daneben. Wer möchte, kann jetzt gleich die zehn Dekorationsteile – Kakteen, Canyons und Tierschädel – mit aufstellen.
Das Beutegut kommt in Form von Geldsäcken, Aktenkoffern und Diamanten ins Spiel. Dieses wird auf die einzelnen Zugeinheiten verteilt.
In die Lokomotive wird der Marshall (gelbe Figur) sowie ein Aktenkoffer gestellt. Der zweite Aktenkoffer wird neben den Spielplan gelegt. In jeden Waggon werden Geldsäcke und Diamanten untergebracht. Wie viele davon jeweils verteilt werden müssen, ist auf den Böden der Waggons abgebildet.
Jeder Spieler erhält entscheidet sich für eine Farbe und nimmt sich dazu passend eine Spielfigur, eine Charakterkarte, sechs Revolverkarten und zehn Aktionskarten.
Die Revolverkarten werden nach Patronenanzahl aufsteigend sortiert und als Nachziehstapel auf die Charakterkarte gelegt. Zu Beginn die die Revolver aller Mitspieler voll geladen.
Alle zehn Aktionskarten werden verdeckt gemischt und verdeckter Nachziehstapel auf die Charakterkarte gelegt.
Die Spielfiguren werden verdeckt, eine Figur wird blind gezogen. Das ist der Startspieler. Dieser stellt seine Figur auf das Dach des letzten Waggons. Sein linker Nachbar stellt seine Figur auf das Dach des vorletzten Waggons, der nächste wieder auf den letzten Waggon usw. bis sich alle Spielfiguren auf dem Zug befinden.
Hinweis: Die auf den Bildern gezeigte Zugunterlage mit den Schienen und dem Wild-West-Ambiente ist nicht Teil des Spielzubehörs, kann aber zusätzlich erworben werden.
Spielablauf – So wird Colt Express gespielt!
Ziel des Spiels ist es, sich über mehrere Spielrunde möglichst viele Geldsäcke, Diamanten und vielleicht sogar den Aktenkoffer zu sichern und so am Ende des Spiels der reichste Bandit zu sein.
Gespielt wird über fünf Runden. Jede Spielrunde besteht aus einer Planungs- und einer Aktionsphase. In der Planungsphase wird eine neue Rundenkarte aufgedeckt und alle Spieler erhalten ihre Aktionskarten auf die Hand. Diese müssen sie, beim Startspieler beginnend, nacheinander reihum auf einen gemeinsamen Aktionsstapel ablegen. In der anschließenden Aktionsphase wird dieser Stapel dann umgedreht und alle Aktionen jeder einzelnen Karte werden nacheinander durchgeführt. Im Anschluss an die fünfte Spielrunde erfolgt die Schlusswertung.
Die Planungsphase – Den Beutezug bis ins Detail planen
In dieser Phase gilt es, den eigenen Beutezug möglichst gut zu planen und dabei auch abzuwägen, was wohl die Mitspieler so vorhaben. Denn ein Faustkampf ist nur möglich, wenn sich ein anderer Bandit in der Nähe befindet. Und ein Schusswechsel macht nur dann Sinn, wenn ein anderer Bandit in Sichtweite ist. Wer einen Diebstahl vorbereitet, sollte diesen zeitlich so einplanen, dass es auch noch etwas zu stehlen gibt.
Eine neue Rundenkarte wird zu Beginn jeder Spielrunde aufgedeckt. In der oberen linken Ecke jeder Rundenkarte befinden sich kleine Rechtecke – mal leer, mal mit Symbol, mal zusammengefasst. Diese legen die Ablageart und Reihenfolge der Aktionskarten der Spieler fest. Pro Feld kann jeder Spieler jeweils eine Aktion ausspielen. Je nach Symbole in dem Feld werden die Karten offen oder verdeckt abgelegt und auch ein Richtungswechsel kann gelegentlich vorkommen.
Zudem befindet sich auf den meisten Rundenkarten neben den Feldern noch ein weiteres Symbol. Das kann ein Zug, ein Marshallstern, ein Geldsack usw. sein. Befindet sich auf der aktuellen Rundenkarte solch ein Symbol, wird im Anschluss an die Aktionsphase noch ein zusätzliches Ereignis ausgeführt. Das sollte man bei der nun folgenden Planung des Beutezuges in Hinterkopf behalten.
Alle zehn Aktionskarten werden zu Beginn jeder neuen Spielrunde von den Spielern verdeckt gemischt. Anschließend zieht jeder Spieler sechs Karten vom eigenen Stapel auf die Hand. Die gezogenen Aktionen stehen dem Spieler in der laufenden Runde zur Verfügung.
Beginnend beim Startspieler legen die Spieler nacheinander immer eine Aktionskarte auf den gemeinsamen Ablagestapel. Zeigt die Rundenkarte ein leeres Feld, wird die Aktion offen ausgelegt. Zeigt das Feld einen Tunnel, wird die Aktion verdeckt ausgespielt. Bei einem Pfeil erfolgt ein Richtungswechsel, der letzte Spieler ist also sofort wieder an der Reihe und kann quasi eine Doppelaktion nutzen. Ein Spieler kann auch auf das Ablegen einer Aktionskarte verzichten und dafür drei neue Karten vom eigenen Nachziehstapel auf die Hand nehmen.
Die Sonderfähigkeit des eigenen Charakters sollte man bei seiner Planung immer mit berücksichtigen. Teilweise ersetzen diese bestimmte Aktionskarten, teilweise verschaffen sie permanente Vorteile beim Ablegen von Karten.
Doc erhält immer eine Aktionskarte mehr auf die Hand. Ghost darf dafür die erste Aktionskarte immer verdeckt ausspielen. Tuco kann auch durch Waggondächer hindurch schießen und wird ein Spieler von Django getroffen, wird dieser automatisch auf den nächsten Waggon geschleudert. Die beiden Damen in der Runde können dagegen nur angegriffen werden, wenn sich kein anderer Bandit mehr im Raum befindet (Belle) oder nach einem Faustkampf sofort die fallen gelassene Beute aufnehmen (Cheyenne).
Die Aktionsphase – Rennen, Kämpfen, Schießen und Stehlen
Haben alle Spieler ihre Aktionskarten abgelegt, wird der gemeinsame Ablagestapel umgedreht. Die zuerst ausgespielte Aktion des Startspielers liegt also wieder oben. Jetzt wird eine Karte nach der anderen ausgeführt.
Der Spieler, dem die jeweils oberste Karte des Aktionsstapels gehört, führt die darauf abgebildete Aktion aus. Folgende Aktionen sind möglich:
Raub – Befindet sich der Spieler in einem Waggon, in dem noch Beute vorhanden ist, darf er sich ein frei ausliegendes Beuteplättchen nehmen. Befindet er sich auf dem Dach oder in einem leeren Waggon, dann verfällt die Aktion.
Ebenen wechseln – Mit dieser Aktion darf ein Spieler seine Figur vom Dach ins Innere des gleichen Waggons bewegen oder umgekehrt.
Bewegen – Befindet sich der Spieler auf dem Dach, darf er sich um 1 – 3 Dächer bewegen. Befindet sich der Spieler im Inneren eines Waggons, darf er sich um einen Waggon weiterbewegen. Auch die Lokomotive zählt als Waggon und darf mit dieser Aktion betreten werden.
Kämpfen – Mit einem Fausthieb kann ein Spieler angegriffen werden, der sich im gleichen Waggon und auf gleicher Ebene wie die eigene Spielfigur befindet. Der Spieler verliert dadurch ein Beuteplättchen, dass in den Waggon zurückgelegt wird. Die Figur wird anschließend auf einen benachbarten Waggon gestellt.
Marshall bewegen – Anstelle der eigenen Spielfigur wird jetzt der Marshall (gelb) in einen angrenzenden Waggon bewegt. Alle dort befindlichen Banditen flüchten sofort auf das Dach und erhalten zudem eine neutrale Patronenkarte.
Schießen – Jeder Spieler verfügt über maximal sechs Patronen in seinem Revolver, dargestellt durch sechs Patronenkarten.
Befindet sich der Bandit eines Spielers auf dem Dach, kann er beliebig weit schießen, trifft dabei aber jeweils den nächstgelegenen Mitspieler. Befindet sich der eigene Bandit im Inneren eines Waggons, kann er nur in die direkt angrenzenden Waggons schießen.
Jedes Mal, wenn ein Spieler auf den Banditen eines Mitspielers feuert, muss er dem Spieler eine seiner Patronenkarten geben. Diese Patronenkarte legt der Getroffene zu seinem Kartendeck – die Patronenkarte wird also in der Folgerunde in den Satz an Aktionskarten untergemischt und im schlimmsten Fall als “getarnte Aktionskarte” auf die Hand gezogen.
Parallel zu den ganzen Beuteplättchen spielen die Banditen auch um den Titel des Revolverhelden, der bei Spielende nochmals 1.000 $ einbringt. Der Titel geht an den Spieler, der am Ende die wenigsten Kugeln in seinem Revolver hat.
Spielende und Gewinner des Spiels
Eine Partie Colt Express endet nach fünf Runden. Jetzt zählt jeder Spieler seine gesammelte Beute zusammen.
Der Spieler mit den wenigsten Patronen im Revolver erhält den Titel “Revolverheld” und darf seine Charakterkarte umdrehen. Auf der Rückseite sind weitere 1000$ abgebildet, die der Spieler zu seiner sonstigen Beute hinzuzählen darf.
Wer jetzt der reichste von allen Banditen ist gewinnt auch das Spiel.
Fazit zum Brettspiel Colt Express
Mit Colt Express landet ein erstaunlich erfrischendes Spiel auf unserem Tisch, das sich sehr schnell spielt und bei dem es immer wieder Überraschungen gibt. Es würde uns nicht wundern, wenn Colt Express es in diesem Jahr zumindest auf die Nominierungsliste zum Spiel des Jahres schafft. Aber warten wir mal ab!
Vor dem ersten Spiel ist erst einmal etwas Bastelarbeit angesagt. Die Lokomotive und die Waggons müssen aus diversen Kleinteilen zusammengebaut werden. Eine verständliche Bauanleitung liegt dem Spiel selbstverständlich bei – etwas Zeit sollte man aber vor der ersten Runde dafür einplanen.
Die eigentliche Spielanleitung ist recht überschaubar, leider auch ein wenig umständlich strukturiert. So werden unter dem Punkt Spielziel bereits wichtige Elemente beschrieben, die dann unter Spielablauf gar nicht mehr aufgegriffen werden. Beispielsweise, dass man zu Beginn jeder Runde sechs Karten vom eigenen Aktionsstapel aufnehmen kann und diesen am Ende einer Runde komplett mit allen Karten wieder durchmischen muss. Wer die Anleitung also eher überfliegt als liest, dem könnte der eine oder andere wichtige Punkt entgehen. Tipp: Besser gleich alles von A bis Z einmal lesen, dann steht einem schnellen Start ins Spiel nichts im Weg.
Das Spielzubehör ist natürlich bestechend originell und schön anzusehen. Gespielt wird auf einer 3D-Lokomotive samt Waggons, die somit den Spielplan bilden und auf denen sich die einzelnen Spielfiguren bewegen. Die Spielkarten sind passend zum gesamten Zubehör schön illustriert und die verwendeten Symbole hat man nach den ersten Partien auch verinnerlicht. Dass auch noch alles perfekt in den Spielkarton passt, rundet den Gesamteindruck in Punkto Zubehör ab: Ganz große Klasse!
Das Spiel selbst führt im positiven Sinne zu sehr gemischten Gefühlen. Alle Aktionen müssen im Voraus geplant werden. Das führt dazu, dass man neben der eigenen Strategie auch noch ziemlich genau die Aktionen aller Mitspieler mitdenken muss. Andernfalls führt man einen Fausthieb aus und es steht gar kein Bandit mehr vor einem und die Aktion ist verschenkt. Wollte man mit den Fausthieb dafür sorgen, dass der Mitspieler seine Beute fallen lässt und hatte als nächste Aktion das Aufnehmen eben dieser Beute geplant, dann hat man sogar zwei Aktionen in den Sand gesetzt. Das kann einen schon mal gerne in den Wahnsinn treiben. Erneut, nur im positiven Sinne gemeint, denn natürlich macht das Spaß. Umgekehrt ist es auch ein tolles Gefühl, wenn der eigene Beutezug exakt nach Plan verläuft und man den Mitspielern und den Reisenden ihr mehr oder weniger wohlverdientes Geld abnehmen kann.
Die Patronenkarten bringen neben der sowieso schon vorhandenen Interaktion zwischen den Spielern auch noch etwas Würze ins Spiel. Wer auf einen Mitspieler schießt, muss diesem eine seiner Patronenkarten geben. Dadurch wird dessen Deck an Aktionskarten leicht verwässert, da die wertlosen Karten dort untergemischt werden müssen. Und wer viel und wild um sich schießt, der macht sich vielleicht nicht besonders beliebt bei den übrigen Banditen, dafür hat derjenige aber gegen Spielende die beste Chance auf den Titel Revolverheld. Dieser bringt nochmals 1000$ ein und ist vielleicht sogar das Zünglein an der Waage zum Sieg.
Insgesamt spielt sich Colt Express erstaunlich gut, bietet viele Interaktionsmöglichkeiten und ist mal erfrischend anders. Das Ärgerpotential und der Spaßfaktor sind sehr hoch. Auch wenn das Spiel ab zwei Spielern ausgezeichnet ist, kommt eigentlich erst ab vier Spielern so richtig Stimmung auf. Sicher, es lässt sich auch mit weniger Spielern auf Beutezug gehen, aber bei Colt Express gilt – je mehr Banditen, desto besser wird das Spiel. Garantiert.
– Herzlichen Dank an Asmodee und Ludonaute für das Rezensionsexemplar –