Im Kartenspiel Schäferstündchen von Felix Mertikat geht es von Beginn an ordentlich zur Sache. Denn schlichtweg zu verlockend ist die Herde von wehrlosen Schäfchen, die sich vermeintlich ungeschützt im Tal befindet. So dauert es auch nicht lange, bis sich die Räuberfraktion von ihrem Unterschlupf in den Bergen aus auf den Weg ins Tal macht, um dort ein Schaf nach dem anderen zu stehlen. Nur haben sie diese Rechnung ohne die tapferen Dorfbewohner gemacht, die ebenfalls ins Tal eilen und ihre Schafe vor den Räubern in Sicherheit bringen.
In Schäferstündchen können die Spieler entweder alleine oder aber als Teil der Räuber- beziehungsweise Dorfbewohnerfraktion diese Geschichte nachspielen. In beiden Fällen übernimmt jeder Spieler genau eine von insgesamt zwölf Rollen – beispielsweise die Räuberstochter oder den Pastor – die jeweils über einen Bewegungswert, einen Kampfwert und eine Sonderfähigkeit verfügen. Ziel jedes Spielers ist es dann, den eigenen Charakter vom “Zuhause” ins Tal zu bewegen und dort eines der Schafe zu ergattern. Sollten dabei Kontrahenten beider Fraktionen aufeinander treffen, kommt es zum Kampf.
Zusätzlich zu den Fähigkeiten des eigenen Chrakters werden in jeder Spielrunde Karten ausgespielt, die weitere Vor- und Nachteile mit sich bringen. Die Egoistenkarte legt ein Spieler vor sich selber ab, um seinen Chrakter für den Spielzug zu stärken. Die Vergabekarten teilt man anderen Spielern zu, um diese auf dem Weg ins Tal oder für den Kampf um das Schaf zu schwächen. Mittels Einwurfkarten kann man notfalls noch Aktionen korrigieren und mit Gegenständen lässt sich die Grundstärke des eigenen Charakters dauerhaft verbessern.
Sobald alle Schafe aus dem Tal getohlen beziehungsweise in Sicherheit gebracht wurden, endet das Spiel. Der Spieler oder das Team mit den meisten Schafen gewinnt die Partie.
Spielzubehör von Schäferstündchen
- 1 kleines Spielfeld
- 12 große Rollenkarten
- 12 Rollenmarker
- 14 Schäfchenmarker
- 71 Spielkarten
Die Rollen- und Spielkartentypen
Insgesamt 12 einzigartige Rollenkarten befinden sich im Spiel. Jede Rollenkarte weist einen eigenen Bewegungswert und einen Kampfwert aus. Zudem verfügt jede Rolle über eine Sonderfähigkeit, die dauerhaft in jeder Spielrunde eingesetzt werden kann. Beispielsweise kann der Koch (dank seiner Sonderfähigkeit) durch den Effekt einer Spielkarte niemals eines seiner Schafe verlieren.
Es gibt positive Bewegungskarten (grün), mit denen die Spieler den Bewegungswert ihrer Rollenkarte einmalig erhöhen können. Zusätzlich kann solch eine grüne Karte noch weitere Effekte enthalten, die der Spieler in der laufenden Runde in Anspruch nehmen kann. Beispielsweise verfügt die Karte “Querfeldein” über zusätzliche 3 Bewegungspunkte und mit der Karte “Nimm 2” ergattert der Spieler ein zusätzliches Schaf – sofern er in dieser Runde eins erhalten hätte.
Es gibt negative Bewegungskarten (rot), mit denen der Bewegungswert eines Spieler einmalig verschlechtert werden kann. Zusätzlich kann solch eine roteKarte noch weitere negative Effekte enthalten, die der Spieler in der laufenden Runde zu spüren bekommt. Beispielsweise muss der Spieler bei der Karte “Gletscherspalte” eine Runde aussetzen oder seine Spielfigur durch die Karte “Hausarrest” wieder zurück auf ihr Zuhause setzen.
Es gibt Einwurfkarten, mit denen die Spieler innerhalb einer laufenden Spielrunde weitere Effekte auslösen können. Beispielsweise kann man am Ende einer Spielrunde, wenn die Schafe verteilt werden, die Karte “Falsche Lieferadresse” einwerfen. Dadurch erhält der Spieler eines der Schafe, die eigentlich ein anderer Spieler verdient gehabt hätte.
Es gibt positive Gegenstandskarten (grün), mit denen die Spieler ihre Rollenkarte dauerhaft verbessern können. So lässt sich durch bestimmte Gegenständer der Kampf- und Bewegungswert steigern (“Dicker Ast”). Und auch ein Schutz gegen bestimmte Effekte anderer Spielkarten lässt sich so aufbauen (“Brett” schützt vor Aussetzen durch “Gletscherspalte”).
Ausführliche Spielregeln zu Schäferstündchen
Spielvorbereitungen
Solo oder als Team: In Schäferstündchen kann jeder Spieler für sich allein oder im Team spielen. Bei der Teamvariante spielen jeweils die Spieler einer Fraktion, also entweder Dorfbewohner oder Räuber, gemeinsam gegen die jeweils andere Fraktion. Auf die Spielvariante sollten sich die Spieler vor Spielbeginn einigen.
Die Rollenkarten werden entweder zufällig oder wahlweise an die Spieler verteilt. Jeder Spieler erhält eine Rolle und legt seine Karte offen vor sich ab. Bei der Teamvariante sollten die Spieler darauf achten, dass sich die Zahl der Rollen pro Fraktion (Dorfbewohner oder Banditen) ungefähr die Waage hält.
Der Spielplan wird in die Tischmitte gelegt. Die Rollenmarker aller teilnehmenden Rollen werden auf ihr Startfeld (Dorf oder Gebirge) gelegt.
Die Schäfchenmarker werden in die Mitte des Spielplans gelegt. Für das Spiel mit bis zu vier Spielern werden neun Schäfchenmarker benutzt, bei mehr als vier Spielern benötigt man elf Schäfchenmarker.
Die Spielkarten werden gut gemischt und als verdeckter Nachziehstapel neben das Spielfeld gelegt. Jeder Spieler zieht fünf Karten und nimmt diese verdeckt auf die Hand.
Spielablauf
Ziel des Spiels ist es, als Spieler der Räuberfraktion möglichst viele Schafe aus dem Tal zu stehlen und als Spieler der Dorffraktion möglichst viele Schafe vor den Räubern in Sicherheit zu bringen. Wer am Ende insgesamt die meisten Schafe hat, gewinnt die Partie Schäferstündchen.
Das Spiel beginnt der jüngste Spieler am Tisch. Eine Spielrunde besteht aus sieben Phasen, die jeweils der Startspieler einleitet. Die anderen Spieler folgen nacheinander im Uhrzeigersinn. In den sieben Phasen müssen die Spieler Egoistenkarten ablegen (1), Vergabekarten verteilen (2), ihre Karten aufdecken (3), die eigene Figur bewegen (4), Schafe beschützen oder stehlen (5) oder darum kämpfen (6) und die neue Runde vorbereiten (7). Sobald am Ende einer Runde das letzte Schaf von einer Fraktion ergattert wurde, endet das Spiel und die Schlusswertung erfolgt.
Karten ablegen, verteilen und aufdecken
In jeder Runde möchten die Spieler mit ihrer Figur natürlich den ganzen Weg bis ins Tal zurücklegen und ein Schaf ergattern beziehungsweise darum kämpfen. Hierzu verfügt der Charakter jedes Spieler bereits über eine Bewegungswert und einen Kampfwert. Durch das Ablegen und Verteilen von Karten, kann auf diese Werte Einfluss genommen werden.
Die Egoistenkarte (1): Alle Spieler legen eine beliebige ihrer Handkarten verdeckt vor sich ab.
Die Vergabekarten (2): Alle Spieler legen eine beliebige ihrer Handkarten verdeckt vor einem Mitspieler ab. Mehr als zwei Vergabekarten darf ein einzelner Spieler dabei aber nicht erhalten.
Beim Aufdecken der Karten (3) sehen die Spieler dann, welche Effekte sie in dieser Spielrunde trifft. Der Startspieler deckt seine Karten zuerst auf und befolgt die darauf beschriebenen Aktionen. Dabei werden die Karten numerisch aufsteigend abgehandelt. So geht es im Uhrzeigersinn weiter, bis alle Spieler ihre Karten aufgedeckt und ausgeführt haben.
Figuren bewegen, Schafe ergattern oder erkämpfen
Bereits jetzt sehen die Spieler, ob sie in der aktuellen Spielrunde die Chance auf ein Schaf erhalten oder ob ihnen ein Mitspieler mit seiner Vergabekarte doch noch einen Stein in den Weg gelegt hat.
Beim Bewegen der Figuren (4) werden die Bewegungspunkte der Rollenkarte des Spielers und der vor ihm ausliegenden Karten addiert. Anschließend wird der Spielermarker entsprechend in Richtung Tal weitergezogen. Im Bild (links) haben es beispielsweise der Koch und die Elster geschafft und stehen vor dem Schafsgehege, während die Magd und der Bandit noch unterwegs sind.
Schafft es nur ein Spieler zu den Schafen, kann er sich eines der Plättchen nehmen (5). Befinden sich Spieler beider Fraktionen vor dem Schafsgehege, kommt es zum Kampf (6). Jetzt werden die Kampfwerte der betroffenen Rollenkarten und aller ausliegenden Karten verglichen. Zu diesem Zeitpunkt dürfen die Spieler auch noch eine weitere Kampfkarte aus ihrer Hand ausspielen. Der Spieler mit dem insgesamt höheren Kampfwert erhält dann das Schaf. Im Bild (links) verfügen der Koch und die Elster über einen Kampfwert von 4. Die Elster hat vor sich ausliegend noch den Gegenstand “Steinschleuder”, der ihr einen weiteren Kampfpunkt einbringt. Der Koch hatte jedoch als Egoistenkarte das “aggressive Schaf” abgelegt, das über zwei Kampfpunkte verfügt. Beide spielen keine weitere Kampfkarte aus. Der Koch geht somit als Gewinner des Kampfes hervor und erhält das Schafplättchen.
Vorbereitung der nächsten Spielrunde (7): Alle Spieler legen ihre vor ihnen liegenden Karten auf den Ablagestapel, sofern diese bereits ihren Effekt verloren haben. Des Weiteren setzen alle Spieler, die es bis ins Tal geschafft hatten, ihre Rollenmarker wieder zurück in ihr Zuhause. Alle übrigen Rollenmarker können auf ihrer aktuellen Position auf dem Weg stehenbleiben. Zuletzt ziehen die Spieler neue Karten vom Nachziehstapel nach, bis jeder Spieler wieder fünf Karten auf der Hand hat. Der Startspieler wechselt im Uhrzeigersinn.
Spielende und Gewinner des Spiels
Eine Partie Schäferstündchen endet, sobald ein Spieler das letzte Schaf im Tal ergattert hat. In der Solo-Variante gewinnt der Spieler, der die meisten Schafe ergattern konnte. In der Teamvariante gewinnt die Fraktion, die insgesamt die meisten Schafe ergattert hat.
Fazit zum Kartenspiel Schäferstündchen
Das Kartenspiel Schäferstündchen kam – positiv gemeint – ungeplant und völlig überraschend auf unseren Tisch. Der Einstieg in die erste Runde gelang dabei sehr schnell, da die Spielanleitung vom Umfang her überschaubar, verständlich und gut strukturiert ist.
Das Zubehör vermag ebenfalls zu überzeugen. Besonders die überdurchschnittlich großen Rollenkarten kamen sehr gut an. Ebenso die tollen Zeichnungen von Felix Mertikat, die dem Spiel seinen gewissen Charme verleihen. Das einzige, was beim Material ein wenig gestört hatte – und das ist wirklich nörgeln auf sehr hohem Niveau – waren die einseitig bedruckten Schäfchenmarker und der fehlende Startspielermarker. Schwamm drüber! Dafür bietet das Spiel zwölf einzigartige Charaktere, über dreißig (!) unterschiedliche Aktionskarten und fünfzehn unterschiedliche Gegenstände – allesamt mit eigenen Grafiken.
So. Jetzt aber zum eigentlichen Spiel! In der Version “Jeder gegen jeden” steht und fällt der Spielspaß mit der Spielgruppe, da hier der Faktor Glück ordentlich mitmischt. Zieht man nur schlechte Karten nach, kommt man trotz “Egoistenkarte” kaum voran. Obendrein legen einem die Mitspieler mittels “Vergabekarte” noch weitere Stolperfallen in den Weg. Hier gilt dann wirklich: Pech beim Nachziehen von Karten führt automatisch zu Pech im Spiel. Umgekehrt kann es passieren, dass man nur super Karten bekommt, diese aber in der Vergabephase an andere Spieler abtreten muss. Wie man es dreht und wendet, da kommt kein roter Faden ins Spiel. Perfekt für alle, die einfach nur ein bisschen Spaß haben oder sich mal so richtig ärgern wollen. Und der Ärgerfaktor kann hier recht hoch ausfallen.
In der Team-Variante sieht das dann schon ganz anders aus. Hier hat man als Spieler plötzlich die Wahl, eine seiner guten Karten mal einem Team-Mitspieler zuzuordnen und bekommt umgekehrt auch mal Unterstützung. Oder man vergibt als Team gleich zwei schlechte Karten auf einmal an einen Spieler der gegnerischen Fraktion, der sich fast im Tal befindet. Natürlich kann man auch hier nur Aktionen durchführen, die einem das Nachziehglück beschert hat, aber insgesamt fühlt man sich dem Glücksfaktor nicht so ausgeliefert. Gestänkert werden kann trotzdem noch genug.
Noch ein Wort zu den Rollen in Schäferstündchen. Die zwölf Charaktere verfügen über unterschiedliche Bewegungswerte, Kampfwerte und Sonderfähigkeiten. Diese sind leider nicht so gut ausbalanciert, dass jede Rolle als gleichwertig betrachtet werden kann. Der “Vettel” verfügt beispielsweise nur über einen Kampf- und Bewegungswert von jeweils zwei und ist somit besonders abhängig von den Karten des Nachziehstapels. Der “Starke” dagegen kommt mit einem Wert von zwei zwar auch nur langsam voran. Erreicht er aber das Tal, ist er mit seinem Kampfwert von sechs nur schwer zu besiegen und im Falle eines Sieges erhält er obendrein anstatt einem Schaf sogar gleich zwei Schaffe. Der “Koch” ist dagegen mit mittelstarken Werten ausgestattet und passt sehr gut in jede Runde. Wer also das sowieso benötigte Glück beim Nachziehen von Karten nicht auch noch mit viel Pech bei der Rollenvergabe kombinieren möchte, sollte die Rollen zu Spielbeginn vielleicht eher auswählen lassen und nicht per Zufall den Spielern zuordnen.
Zusammengefasst bietet Schäferstündchen viel Licht und ein wenig Schatten. Im Spiel “jeder gegen jeden” bestimmt weitestgehend das Glück und/oder die Rollenauswahl über Sieg und Niederlage. In der Team-Variante bekommt man den Glücksfaktor besser in den Griff und den Spielern bieten sich mehr Möglichkeiten. Insgesamt kam diese Spielvariante bei unseren Testspielen auch deutlich besser an und wird bei künftigen Partien wohl auch erste Wahl bleiben. Für Gruppen ab vier Spielern ist das Spiel sehr gut geeignet, insbesondere, wenn überdurchschnittliches Ärgern erlaubt ist!
– Herzlichen Dank an Felix Mertikat und Daniel Sartor für das Rezensionsexemplar –